Das Schermützel
macht Urlaub im Hotel Bergschlösschen I
„Flaschenpost, Freunde!“ Schere schwenkt
eine grüne Glasflasche durch die Luft. „O, spannend! Was ist drin? Von wem ist
sie denn? Mach sie mal auf!“, rufen alle durcheinander. „Nur die Ruhe, ihr Lieben!“
Das Schermützel nimmt Schere die Flasche aus der Zange und öffnet den Korken.
„Günter, du musst hier mal helfen, bitte!“ Mit spitzem Tentakel greift Günter
Qualle vorsichtig durch den Flaschenhals, umringelt ein zusammengerolltes
Papier und zieht es geschickt durch die Öffnung: „Hier bitte, Scherry! Und nun
mach es bitte nicht so spannend, altes Ungeheuer. Lies vor!“
Lieber Herr Schermützel!
„Huch, das bin ja ich! Der Brief ist an mich!“, freut sich
das Schermützel , aber als es die erwartungsvollen Gesichter von Goldi, Perle, Schere,
Schuppe und Günter Qualle sieht, liest es schnell weiter:
Unser Hotel Bergschlösschen macht für einen Monat
Betriebsferien. Hätten Sie vielleicht in dieser Zeit Lust, ein bisschen Urlaub
in unserem Hause zu machen? Wir machen uns nämlich Sorgen, das Hotel länger
alleine zu lassen. Sie wissen ja, manchmal sind finstere Gestalten unterwegs…..!
Aber wenn Sie hier wohnen, dann traut sich bestimmt niemand unerlaubt hinein!
Sie können auch gerne Ihre Freunde mitbringen! Sie müssten sich nur selbst
verpflegen. Was meinen Sie? Ich erwarte Sie gerne am Abend,
herzliche Grüße
Ihre Nanette Mohr (Hotelbesitzerin)
Zuerst ist es ganz still, aber dann bricht ein aufgeregtes
Gebrabbel los: „Was? Urlaub, Scherry, hast du das gehört?“ „Und wir dürfen alle
mit! „Wie toll ist das denn!!!!“ „Ich nehme meine Märkisch Bouzouki mit!“ „Und
ich meine Skater!“ „Ich meinen Schwimmring!“ „Und ich die Wasserski!“
„Und ich, wie soll ich denn
mit euch in Urlaub fahren?“
Schuppe hat traurig zugehört. Die Flossen kreuzt er nun über
der Brust.
„Ich habe keine Lust, bei jedem Abenteuer immer nur zu Hause
auf euch zu warten! Ich möchte auch mit!“, sagt er deutlich, und man hört, dass
es ihm sehr ernst ist.
„Okay, Freunde!“ Das Schermützel legt Daumen und Zeigefinger
beider Hände aneinander, so dass eine kleine Raute entsteht: „Wir schaffen das!
Ich habe da schon so eine Idee, lasst mich mal machen!“ Schuppe setzt sich in
den Schaukelstuhl, kräuselt die Stirn und guckt skeptisch, während die anderen
hektisch ihre Sachen zusammensuchen.
„Willst du gar nichts einpacken, Schuppe?“ Goldi hat
inzwischen 3 kleine Quietsche-Entchen, eine Flaschenpost mit
Gute-Nacht-Geschichten und ihre Whistle eingepackt.
„Ja wohin soll ich das denn einpacken, hm?“, fragt er etwas
beleidigt.
„Ihr habt es gut, Perle, Günter und du, Goldi. Ihr hopst
einfach ins Glas, Schere setzt sich in Scherrys Rucksack, aber was ist mit mir?
Wo bleibt der Grundwels?“
„Hier, bitte sehr!“ Das Schermützel schleppt etwas Großes,
Schweres in die Küche.
„Das war noch im alten Schuppen hinter der Seegrashütte!
Guck mal, Schuppe, wäre das etwas für dich?“ Das Schermützel stellt einen
großen Glaskasten auf den Küchentisch. Der Glaskasten ist so groß, dass er zu
beiden Seiten über den Tischrand ragt.
„Mein Reiseaquarium!“, flüstert Schuppe andächtig. „So schön
hätte ich mir das nie vorgestellt!“ Ganz vorsichtig flosselt er in den großen
Glaskasten hinein. Er ist so geräumig, dass Schuppe sich darin sogar umdrehen
kann. „Damit kannst du jetzt mit uns Urlaub machen!“ „Scherry, du bist
grandios!“ Behaglich kuschelt sich Schuppe in sein Reisezimmer.
„Dann möchte ich bitte auch etwas mitnehmen!“, bemerkt er.
„Klar, kein Problem! Was soll es denn sein?“ Das Schermützel ist zufrieden,
weil Schuppe sich wohl fühlt. „Gummibärchen!“, sagt Schuppe. „Zum Schwimmen?“
fragt Perle „Nein, zum Essen!“ Schuppe zwinkert mit einem Auge. „Aber die weichen
dir doch auf im Wasser. Und dann werden sie riesengroß!“ „Nein, sie sind ja in
der Tüte!“ „Aber zum Essen musst du sie doch aus der Tüte herausnehmen!“ Perle
versteht den Freund nicht. „Ich muss sie einfach sehr schnell aufessen, dann
sind sie noch klein!“ „Na gut!“, sagt Perle, und man merkt, dass Gummibärchen
nicht ihr Lieblingsessen ist.
Trööööööt! Nanu? Das Geräusch kommt von
draußen. Was mag das sein?
„Alles einsteigen bitte, die Reise geht los!“
„Oh, Scherry, das ist ja zauberhaft!!!“ Goldi hat ihn als
erste entdeckt. Hellblau und frisch geputzt steht er vor der Tür: Der alte
Trabbi! „Bringt eure Sachen und dann: Einsteigen bitte, wir fahren ab!“ Oben
auf dem Dachgepäckträger befestigt das Schermützel Schuppes Reiseaquarium.
Perle und Günter Qualle machen es sich zusammen mit Goldi im Glas gemütlich.
Schere krabbelt auf den Fahrersitz. Spielsachen, Sportgeräte und Koffer
verstaut das Schermützel auf dem Rücksitz. „Scherry denkt, Schere lenkt!“, ruft
der kleine Flusskrebs fröhlich und
greift nach dem Steuerrad.
An der alten Ankerkette zieht das Schermützel den
Reisetrabbi mit den Freunden über den Seegrund ans Ufer. In der Dämmerung
schleppt es das alte Auto vorsichtig durch die leeren Straßen von Buckow. Die
Königstraße ist ganz schön steil! Schnaufend und prustend steht es schließlich
vor dem Hotel Bergschlösschen. Frau Mohr will gerade gehen.
„Ach wie schön, Herr Schermützel! Sie haben es sich
überlegt, da bin ich aber erleichtert!“ „Guten Abend, liebe Frau Mohr!“ Das
Schermützel lächelt sein nettestes Seeungeheuerlächeln „Vielen Dank für ihre
Einladung, natürlich kommen wir gerne!“
„In jedem Fall!“ „Das wollten wir uns nicht entgehen
lassen!“ „Danke, Frau Mohr!“ „Wir passen gut auf Ihr Hotel auf!“ „Auf jeden
Fall!“ „Sie können sich darauf verlassen, 100 Pro!“ „Sie haben Ihre Freunde
mitgebracht? Das ist aber schön! Dann machen Sie es sich bitte gemütlich!“ Frau
Mohr überreicht dem Schermützel den Hotelschlüssel.
„Herr Schuppe kann gerne nachts die Badewanne benutzen, wenn
er möchte! Und Frau Goldi, Frau Perle und Herr Qualle, sie können gerne
tagsüber auch in den Goldfischteich! Und nun viel Spaß, bis bald!“
Frau Mohr winkt noch einmal und „Tschüüühüüüüüssss!“ rufen
die Freunde ihr nach.
Dann wird ausgepackt. „Freunde, nehmen wir das Zimmer ganz
oben im Türmchen, es gibt dort einen Balkon, da haben wir den schönsten Blick
über Buckow, und man kann den Mond sehen!“
Gesagt, getan: Trabbi auf dem Parkplatz geparkt, ausgepackt,
Zimmer bezogen.
Als die Freunde schließlich im Mondschein noch ein bisschen
auf dem Balkon sitzen, sirrt Bella, die kleine Libelle vorbei. „Nanu, was macht
ihr denn hier? Das ist ja eine Überraschung!“ Sie setzt sich auf das
Balkongitter. „Urlaub!“, rufen alle wie aus einem Munde und müssen lachen,
weil sie alle gleichzeitig gesprochen haben.
Fast hätten sie das merkwürdige Geräusch überhört. Aber da
ist es schon wieder. Ein merkwürdiges Knacken, ein feines Klirren, dann Stille.
„Moment mal, seid kurz mal alle leise!“ Schere hebt eine
Zange, und alle Freunde horchen in die Dunkelheit. Da! Da ist es wieder! Nun hört
man es deutlich: Es klirrt, es rasselt, und irgendetwas wird über den Boden
geschleift. „Es kommt vom Treppenhaus!“, flüstert Perle. „Es steigt die Treppen
hoch!“, wispert Goldi. „Au weia, was ist das wohl?“ Schuppe beugt sich aus seinem
Aquarium, um besser hören zu können.
Das Schermützel schleicht zur Zimmertür. Auch Bella ist ins
Zimmer geflogen und hat sich auf seine Schulter gesetzt. Direkt vor der Tür
quietscht, rasselt und poltert es. „IIIIIIIIEEEEHHHHHH!“ Ein entsetzliches
Kreischen ist zu hören.
„Was mag das bloß sein?“ Goldi zittert. „Wollen wir lieber
wieder nach Hause fahren, Scherry?“ Perle behagt das alles ganz und gar nicht.
Aber Scherry macht Günter Qualle ein paar Zeichen. Auch Schere hat verstanden.
Beherzt greifen beide nach ihren Musikinstrumenten. Beim nächsten Kreischen
reißt das Schermützel die Zimmertür auf:
„Alle, die mit uns auf Kaperfahrt
fahren, müssen Männer mit Bärten sein!“ brüllt es aus dem Zimmer,
und mit einem ohrenbetäubenden Gegröhle, mit lauten Trommelschlägen und harten
Bouzoukiklängen schallt es in den Flur: „Jan und Hein und Klas und Pit, die haben Bärte, die
haben….“,
„Piraten!!!! Oh nein, oh nein!!!!“, kreischt es den Freunden entgegen. Ein kleines, fast
durchsichtiges, weißes Wesen drückt sich an die Wand im Treppenhaus. In einer
Hand hält es eine Kette mit einer schwarzen Metallkugel.
„Nein, nein, Kleiner, wir machen hier nur Ferien!“, sagt das
Schermützel beruhigend.
„Aber wer bist du denn und was machst du hier?“ „Und vor
allem: Warum machst du solchen Lärm? Das kann einem ja Angst machen!“ Goldi
blickt aus ihrem Glas. „Guck mal, mir haben sich alle Schuppen aufgestellt bei
deinem Gekreische!“ „Hihi, du siehst aus wie ein Seeigel!“, kichert Perle. Das
kleine weiße Wesen schwebt ein bisschen näher: „Ich bin Bernd, das
Bergschlösschengespenst!“, sagt es. „Komm doch ins Zimmer, dann können wir uns
in Ruhe unterhalten!“ Das Schermützel zeigt auf das Balkongitter. Lautlos
schwebt das kleine Gespenst herbei und setzt sich zwischen Goldfischglas und
Aquarium. Die schwere Eisenkugel nimmt es auf seinen Schoß.
„Alle sind in die Betriebsferien gegangen, aber mich haben
sie hiergelassen!“ Bernd guckt traurig über die kleine Stadt, die im Mondlicht
leuchtet. „Das ist nicht nett!“ Bella surrt ein bisschen mit den Flügeln.
„Dabei arbeite ich wie jeder andere auch hier im Hotel!“
„Da hättest du eigentlich auch einmal Ferien verdient!“
Schere klappert mitfühlend ein bisschen mit den Scheren. „Ich habe die Nachtschicht!“
Bernd zipfelt an seinem weißen Kleid herum. „Jede Nacht pünktlich und dann bis
zum Morgengrauen!“ „Wie sieht denn deine Arbeit aus? Ist es sehr anstrengend?“
Perle möchte es genau wissen. „Na zuerst rascheln, rasseln und knarren!“ „Aha!“
Das Schermützel schaut Bernd erstaunt an. „Ja, und dann klirren, klicken und
klietschen!“ „Klietschen?“ Goldi guckt ein Fragezeichen durch ihr Glas. „Genau
und zum Schluss schreien, stöhnen, jammern, gröhlen. Wenn die Sonne aufgeht
leiser werden, mit den Vögeln verstummen! Das ist sehr anstrengend, das kann
ich euch sagen!“ Bernd guckt in die Runde. „Glaubt ihr mir nicht? Dann macht
ihr das mal, Jahrhundert für Jahrhundert, 7 Nächte die Woche ohne Pause, ohne
Urlaub und ohne Betriebsferien…,sie haben mich einfach vergessen!“ Eine dicke
Träne rollt Bernd über sein Zipfelkleid und tropft mit einem „Ping“ auf den
Balkonfußboden. „Dann mach doch mit uns Ferien, Bernd!“
Das Schermützel hat einfach die besten Ideen! „Ja, das wäre
doch toll!“ Perle klappert mit ihren Muschelschalen. „Bestimmt weißt du ein
paar herrliche Gruselgeschichten!“ Goldi plinkert mit ihren Wimpern.
„Vielleicht könntest du mir ein paar ganz besonders schaurige Kreischer
beibringen?“ Günter Qualle freut sich schon. „Aber gerne!“ Bernd strahlt, und
weil er sich so freut, leuchtet sein weißes Zipfelkleidchen fast heller als der
Mond. „Und ihr“, sagt er dann und zwinkert den Freunden zu, ihr müsst mir
unbedingt beibringen, dieses schaurige Piratenlied zu singen!“ Und schon sind
alle mit Eifer dabei:
„Alle die mit uns auf Kaperfahrt fahren, müssen Männer
mit Bärten……,“
hört man es noch
lange durch die Nacht schallen.
Der Weihnachtsmann, der im Frühling auch gerne einmal Urlaub
in Buckow macht, kann nicht schlafen. Er öffnet das Fenster. Da hört er ein
merkwürdiges Lied durch die Nacht schallen. Er schüttelt den Kopf, zupft sich
am langen Bart, dann geht er zurück ins Bett. Piraten in Buckow? Nein, das muss
ich wohl geträumt haben, denkt er noch, dann schläft er wieder ein.
Es wurde noch eine lustige Nacht dort oben im Hotel
Bergschlösschen.
Und geschlafen haben die Freunde eher weniger!
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