Au Backe! - Das Schermützel hat Zahnschmerzen!
„Guten Morgen, Freunde! Naaaaa, gibts ein Wasserlinsenmüsli
für eine hungrige Qualle?“ Fröhlich tentakelt Günter Qualle zum Küchenfenster
der Seegrashütte hinein, stellt seine Märkisch Bouzouki an die Wand und
flutscht an den Küchentisch. „N´ Morgen!“, „Tag!“, „Hallo!“, kommt es im leise
entgegen.
Nanu, was ist denn hier los? Goldi, der kleine Goldfisch,
und Perle, die kleine Seemuschel, gucken traurig vor sich hin. Schere und
Schuppe haben Sorgenfalten auf der Stirn. Die Teetassen stehen dampfend auf dem
Tisch, aber niemand trinkt.
„Wo ist Scherry?“ Das Schermützel sitzt noch gar nicht am
Frühstückstisch. „Er liegt noch im Bett!“, flüstert Perle. „Ja und es geht ihm
gar nicht gut!“ Goldi dreht eine traurige Goldfischrunde in ihrem Glas. Dabei
bewegt sie sich so langsam, als hätte jemand die Zeit angehalten. „Hey Leute,
dann geh ich jetzt das alte Ungeheuer mal aufwecken“, sagt Günter Qualle,
schnappt sich die Märkisch Bouzouki und gleitet
in das Schlafzimmer des Schermützels. Vor dem Bett baut er sich auf: „Bruder Scherry, Bruder Scherry, schläfst du noch,
schläfst du noch, hörst du nicht…“, schmettert er in vollen Tönen laut in
den Raum, aber……… „RUHE!“, brüllt es ihm
da entgegen, „geh raus und sei still! Das kann ja kein Ungeheuer ertragen!“
„Aber Scherry, ich bins doch, dein lieber Günti, deine alte
Qualle, was ist los? Geht’s dir nicht gut?“ So unfreundlich hat Günter Qualle
seinen Freund Scherry noch nie erlebt. Da stimmt doch etwas nicht! Wer so
schlecht gelaunt ist, der hat ein Problem!
Das Schermützel setzt sich auf im Bett.
„Au weia, Scherry, wie siehst du denn aus?“ Das Gesicht des
Schermützels ist ganz verzerrt. Seine linke Wange ist dick geschwollen.
„Hast du einen Tennisball im Mund?“, fragt Günter Qualle, aber die Frage tut ihm
gleich wieder leid.
„Ich habe solche Zahnschmerzen!“, wimmert Scherry, „schon
die ganze Nacht und es wird einfach nicht besser!“.
„Der kalte Algenwickel hat auch nicht geholfen!“ Schuppe
kommt ins Schlafzimmer geflosselt.
Scherry wimmert leise vor sich hin.
„Ich habe versucht, Scherry ein wenig abzulenken. Die
Geschichte von Rotkäppchen und dem bösen
Wolf hat ihm nicht gefallen!“
Perles Stimme wird immer leiser. „Als Rotkäppchen den Wolf fragt:
Warum hast du so lange Zähne, da hat…“, weiter kommt Perle gar nicht. „Aua, aua, au!“, jammert Scherry und eine Träne
rollt ihm über die dicke Wange.
„Ich hab ihm angeboten, den Zahn zu ziehen!“, sagt Schere,
der inzwischen auch vor Scherrys Bett steht. „O
nein, o nein, o nein!“, hört man es aus Scherrys Bett leise wispern,
denn das Schermützel hat sich die Decke über den Kopf gezogen.
„Einfach Mund auf, Zange rein, zack!- raus mit dem blöden
Zahn und gut ist es!“ Schere steht entschlossen vor dem Bett und klappert mit
seinen Scheren. Die Freunde nehmen vorsichtshalber etwas Abstand.
„Aber das wollte er wohl nicht!“, stellt Günter Qualle fest
und die Freunde nicken.
„Freunde, da hilft nur eins!“ Günter Qualle ist
entschlossen: „Scherry muss zum Zahnarzt und zwar sofort!“ „Aber wie denn?“
„Der Zahnarztstuhl ist doch viel zu klein!“ „Da hat er doch viel zu viel
Angst!“ „Stell dir das bloß alles nicht so einfach vor!“
Die Freunde sprechen alle durcheinander. Scherry hat sich
inzwischen im Bett aufgerichtet und schaut verzweifelt aus. „Los, altes
Ungeheuer, das braucht jetzt ein bisschen Überwindung, aber wir schaffen das!“
Beherzt zieht Günter Qualle seinem Freund die Decke weg. „Zieh
dich an, wir gehen zusammen zum Zahnarzt!“ Benommen setzt sich das Schermützel
auf, greift sich den Rucksack, wuschelt einmal durch die Haare. „Ja, gehen wir
alle zusammen!“, beschließt Goldi und als Scherry sie fragend anschaut,
blubbert sie: „Einsteigen bitte!“. Perle und Günter Qualle schlüpfen in ihr
Glas, Schere krabbelt in Scherrys Rucksack. „Ich warte hier auf euch, machts
gut!“, nickt Schuppe den Freunden zu, „und nur Mut, Scherry!“
Das Schermützel ist ganz hellgrün vor lauter Zahnschmerzen,
nur die dicke rote Wange leuchtet in seinem blassen Gesicht. Langsam schwimmt
er zum Ufer des Sees, geht an Land und schleicht sich durch die Straßen. Je
näher es dem Haus des Zahnarztes kommt, desto kleiner wird es. „Hab keine
Angst, Scherry!“, flüstert Goldie, „Der Doktor wird dir schon helfen!“.
Als das Schermützel vor der Zahnarztpraxis steht, ist es nur
noch so groß wie ein normaler Mann.
„Oje, Sie Armer!“, sagt die Arzthelferin am Tresen, als das
Schermützel die Praxis betritt. „Ich sehe schon: Ihre Wange ist ja ganz
geschwollen! Bestimmt haben Sie starke Zahnschmerzen!“ „Jaaahaaa!“, wimmert das Schermützel und weil die nette
Arzthelferin so freundlich ist, rollen gleich noch ein paar Tränen.
„Und Ihre Freunde haben Sie auch dabei? Das ist aber nett!
Dann setzen Sie sich bitte kurz ins Wartezimmer, der Doktor ruft Sie gleich herein!“
Ängstlich setzt sich das Schermützel auf einen Stuhl. Als es
das Pfeifen eines Bohrers aus dem Nebenzimmer hört, steht es auf und geht zur
Tür. „Hinsetzen Scherry!“, Was soll der Quatsch!“, „du wirst doch jetzt nicht aufgeben?“, „der Doktor wird dir helfen!“, „denk dran: Seeungeheuer, die lieben Abenteuer!“,
ruft es da aus dem Glas und aus dem Rucksack.
„Gehen Sie ruhig wieder zurück ins Wartezimmer!“, sagt da
die freundliche Arzthelferin am Tresen. Sie kennt das schon. „Viele Menschen haben Angst vor dem Zahnarzt.
Aber es wird schon nicht so schlimm werden!“
„Der Nächste bitte!“, ruft es da aus dem Sprechzimmer. „Los
Scherry, geh!“, flüstert Günter Qualle und „wir sind bei dir!“, wispert Schere
Scherry ins Ohr. „Einer für alle, alle für einen!“, bemerkt Perle noch. Dann
schleicht das Schermützel ins Sprechzimmer des Zahnarztes. „Bitte nehmen Sie
doch Platz!“, sagt der Doktor uns weist auf den Zahnarztstuhl. Vor lauter Angst
ist das Schermützel jetzt nur noch einen Meter groß.
„Ihre Freunde können Sie hier abstellen!“, sagt der Zahnarzt
lächelnd. Das Schermützel klettert auf den Zahnarztstuhl, nachdem es Glas und
Rucksack auf einen Hocker gestellt hat. „Sie
haben also Zahnschmerzen, richtig?“, fragt der Zahnarzt und als das Schermützel
nickt, sagt er: „Dann machen Sie bitte den Mund auf!“ „Nein!“, sagt da das
Schermützel, beißt die Zähne fest zusammen, verschränkt die Arme vor der Brust
und guckt dem Doktor fest entschlossen ins verblüffte Gesicht. „Aber Scherry!“
„Du musst jetzt das machen, was der Doktor sagt!“ „ Nur Mut!“ „Nicht drüber
nachdenken, einfach Mund aufmachen!“, ruft es jetzt aus dem Glas und dem
Rucksack. „Guck mal, so: Aaaaaa!“ Alle Freunde reißen Mäuler, Münder und
Schalen auf. Das sieht so komisch aus, dass das Schermützel lachen muss und
wieder ein wenig Mut fasst. „Ich singe dir ein schönes Zähnelied zum
Beruhigen!“, ruft Günter Qualle: „Jaaaa das Haiiiiifisch, der hat
Zääääähne….!“, hört man es aus dem Glas summen. So etwas hat der Zahnarzt noch
nie erlebt! Das Schermützel entspannt sich bei den ersten Tönen. „Wenn Goldi
mir jetzt noch eine schöne Geschichte zum Beruhigen erzählen dürfte….?“ Das
Schermützel schaut den Doktor ängstlich an.
„Sehr gerne! Alles, was meine Patienten beruhigt, ist mir
Brecht, ääääääääh, ich meine recht!“,
sagt er dann. Während Günter Qualle im Hintergrund leise das Haifischlied
summt, hört man Goldi erzählen:
„Es war einmal ein sehr alter und sehr weiser Goldfisch.
Eines Tages kam ein ganz kleines Schermützel in sein Glas zu Besuch. „Guten Tag
Opa Goldfisch, kannst du mir helfen? Es geht um das alte Wrack, was dort auf
dem Grund des großen Sees liegt, manche sagen, es soll dort Seegeister……“
Goldi erzählt eine spannende Abenteuergeschichte. Der
Zahnarzt bindet sich den Mundschutz um und zieht die OP Handschuhe an. Dann
schaut er sich den kranken Zahn an. Vorsichtig untersucht er mit Spiegel und
Sonde. Das Schermützel hält ganz still, denn es will ja die Geschichte hören.
„Hmmm!“, sagt der Zahnarzt, „das können wir beheben. Es ist der Backenzahn
links unten!“ Dann dreht er sich um und bereitet etwas vor. „Es wird jetzt
etwas pieksen, aber danach werden Sie nichts mehr spüren. Mit der Spritze werde
ich jetzt den Nerv betäuben!“ Ehe das Schermützel noch Angst haben kann, piekst
es etwas und die Spritze wirkt sofort. „Das fühlt sich jetzt so an, als hätten
Sie eine gaaaaanz dicke Backe, aber das täuscht!“, sagt der Doktor.
„Die Backe ist nicht dicker als vorher. Sie werden jetzt von
der Behandlung gar nichts mehr spüren, stimmt´s?“ Und tatsächlich! Als der
Zahnarzt nun den Bohrer in die Hand nimmt und die Behandlung beginnt, ist der Zahn
betäubt und das Schermützel kann seelenruhig Goldis spannende
Geisterschiffgeschichte verfolgen.
„So, fertig!“, sagt der Zahnarzt nach einer Weile. „Die
Geschichte müssen Sie zuhause zu Ende erzählen, Frau Goldi, denn auf mich
wartet der nächste Patient! Bitte 2 Stunden nichts essen und trinken und immer
schön die Zähne putzen, Herr Schermützel, auf Wiedersehen!“ „Auf Wiedersehen,
Herr Doktor!“, sagt das Schermützel, hopst fröhlich vom Zahnarztstuhl und weil es so erleichtert ist, beginnt es
bereits wieder zu wachsen.
„Schnell, schnell!“, ruft Schere, „wenn du zu groß wirst,
dann passt du nicht mehr durch die Tür. „Auf Wiedersehen!“, ruft die Arzthelferin lächelnd den Freunden nach, „und
kommen Sie bitte regelmäßig zur Kontrolle, bitte alle halbe Jahre!“
„Auf Wiedersehen, ja machen wir!“, ruft das Schermützel. Es
muss sich etwas ducken, um durch die Tür nach draußen zu kommen. Vorsichtig
schleicht es Richtung Seeufer. Bei Frau Kellner am Zeitungsladen bleibt es kurz
stehen. „Wollen wir noch eine Märkische Unterwasserzeitung mitnehmen?“, fragt
das Schermützel die Freunde. „Nein, lieber ein paar Flaschenpostkarten!“, sagt
Perle.
„Dann können wir allen Freunden von deinem Zahnarztabenteuer
erzählen!“ Das Schermützel muss schmunzeln und nun ist seine Wange auch schon
gar nicht mehr so dick. „Der Zahnarzt ist sehr nett!“, sagt Günter Qualle. „Und
die Arzthelferin auch!“ Perle lächelt. „Also wenn meine Perle mal ein Loch
haben sollte, ich würde zu ihm gehen!“. „Und wenn mir einmal ein Zacken aus der
Schere brechen sollte, ich sage nur: Zahnarzt!“ Schere deutet auf das Haus des
Doktors. „Was schreiben wir denn auf die Flaschenpostkarten?“, fragt Schere.
„Wie wärs damit?“, Günter Qualle hat inzwischen ein Zahnarztlied komponiert und
singt laut:
„Erst tat der Zahn weh, ganz, ganz schlimm!
Dann gingen wir zum Zahnart hin.
Der schaut sichs an, fühlt auf den Zahn,
spritzt, bohrt, behandelt –
fertig dann!
Nun ist die Wange wieder glatt
weil Scherry eine Plombe hat!“ ….
„Was darf´s sein?“, fragt Frau Kellner im Zeitungsladen den
großen, grünen Mann mit dem Goldfischglas und dem blauen Rucksack.
„Ich hätte gerne 10 Schermützelpostkarten!“ „Brauchen Sie
auch Briefmarken dazu?“ Frau Kellner ist dieses merkwürdige Wesen etwas
unheimlich.
„Nein danke, aber haben sie vielleicht 10 leere Flaschen?“
fragt Perle aus dem Goldfischglas. „Am besten mit Korken!“, ergänzt Goldi.
„Vielleicht auch mit Etikett !“ Günter Qualle denkt
praktisch
„Für den Absender nämlich!“
„Ja und noch einen wasserfesten Stift!“, ergänzt Schere, „denn
unter Wasser verschmiert ja ein normaler Filzer so leicht!“
Ob ich heute Morgen aus Versehen etwas Rum in meinen Tee
gegossen habe?“, Frau Kellner traut
ihren Ohren nicht.
„Ach, belassen wir es bei den Karten!“, sagt da das
Schermützel, „die Flaschen besorgen wir uns aus den Buckower Köstlichkeiten, Freunde“.
Das Schermützel bezahlt, nimmt die Postkarten und schließt
die Ladentür.
„Ich glaube, ich werde langsam alt!“, sagt Frau Kellner am Abend zu ihrem Mann. „
Stell dir vor, heute war mir so, als hätte ein großes,
grünes Wesen mit einem blauen Rucksack und einem Goldfischglas unter dem Arm
meinen Laden betreten“.
Herr Kellner guckt seine Frau besorgt an. „Und was wollte
es?“, fragt er. „Flaschenpostkarten!“, sagt Frau Kellner.
„Das ist ja ungeheuerlich!“
„Du sagst es!“
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